Es war ja klar – jeder pickt sich heraus, was ihm oder ihr gefällt, aber Jaron Lanier wirklich zugehört haben nur wenige. Ich war in der Paulskirche und gehörte zu denen, die ihm die anscheinend zu belächelnden Standing Ovations gegeben haben.
Das lag ganz einfach daran, dass er da selbst reden durfte – und zwar „as its best“. Kaum hatte er etwas gesagt, das man aus dem Zusammenhang gerissen auch fehlinterpretieren könnte, schon nahm er die andere Seite vorweg und ja, er ist weit cleverer als seine Kommentatoren meinen.
Aber er teilt das Schicksal aller aufrichtigen Menschen, er macht sich angreifbar. Da gibt er den Intellektuellen und zeigt Herz. Da ist er emotional, aber hoppla, schon aufgefangen mit pragmatischem Sachverstand. Da spricht er ernste Worte und gleich kommt ein Witz hinterher. Hej, versucht das mal!
Er ist eine außergewöhnliche Erscheinung, und zwar außergewöhnlich sympathisch. Und anstelle den teilweise steifen und etwas unbeholfenen Würdenträgern und anderem ergrauten Publikum zugute zu halten, dass sie – dank dieser Austrahlung – über ihren Schatten gesprungen sind, wird Lanier unterstellt, er hätte den Schulterschluß gesucht.
Warum sollte er? Hat er doch gar nicht nötig. Wir brauchen seinen Beitrag zur Diskussion. Tragisch, dass er dazu in die Paulskirche gehen muss. Das ist ein schöner Platz, auch für Laniers Musik, aber wir sollten andere Orte haben, um mit ihm zu diskutieren.
Und nichts anderes will er erreichen: Lasst uns endlich die digitale Zukunft zu unserem Besten gestalten. Wenn wir weiter so kleinkariert unseren Streit zwischen vermeintlichen digital natives und dem dummen anderen Rest austragen wollen, dann freuen sich daran ein paar wenige Monopolisten, die ihr Glück gar nicht fassen können.
Was ist so schwierig daran, das Internet und seine Möglichkeiten zu mögen und zu nutzen und trotzdem darüber nachzudenken, wie wir es so in den Griff bekommen, dass auch die davon profitieren, die es so bunt und lebendig machen und deren „Handarbeit“ dahinter steckt? Warum Lanier einen „Friedenspreis“ bekommt? Ganz einfach: Er warnt vor der Rudel-Mentalität (egal in welche Richtung) und er hat das Individuum im Blick. Er wünscht sich eine breite Mitte der Gesellschaft, die am Wohlstand partizipiert und er ist überzeugt davon, dass gute technologische Neuerungen sowohl die Leistung als auch die Würde der Erbringer verbessern müssen.
Lanier hat etwas Besonderes: Er hat sich eine junge Seele bewahrt und seine Gedanken mit Lebensweisheit unterfüttert. Niemand ist gezwungen seinen Ausführungen zu folgen, aber ich bin überzeugt davon, dass es nur nützen kann.
Lest selbst: Rede Jaron Lanier